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01. August 2021

Klartext 3:

"Warum die Aussage "Wir haben flache Hierarchien" ein zweischneidiges Schwert ist und in der Personalgewinnung nicht zwingend attraktiv auf Kandidaten wirkt!"


Unter der Rubrik „Klartext“ möchten wir Sie zum gemeinsamen Nachdenken anregen. Dabei greifen wir Themen oder Thesen auf, die uns im Markt begegnen.  Unter der Rubrik „Klartext“ formulieren wir klar, deutlich, manchmal zugespitzt und hoffentlich nicht abgeschliffen und schon gar nicht gefällig im typischen Berater-Sprech.

Wenn Sie sich oder die Situation in Ihrem Unternehmen wiederfinden: lassen Sie uns in einen kritischen und produktiven Dialog mit Ihnen und Ihren Führungskräften und der HR-Abteilung treten!  

Klartext 3: Warum die Aussage „Wir haben flache Hierarchien“ ein zweischneidiges Schwert ist und in der Personalgewinnung nicht zwingend attraktiv auf Kandidaten wirkt!

Gehen wir der Sache doch einmal auf den Grund:

Was bedeutet „flache Hierarchien“? Dass es im Unternehmen wenige(r) Führungsebenen gibt.

Üblicherweise betrifft dies die mittleren Führungsebenen, d.h. C-Level bleibt bestehen, Spezialistenpositionen auch, dazwischen wurde ausgedünnt.

Welche positive Wirkung erhoffen sich Entscheider, wenn sie die Beschreibung „flache Hierarchien“ in Stellenanzeigen und in Vorstellungsgesprächen verwenden?

Gemeint ist: Kurze Wege, direkter Zugriff von Mitarbeitenden zu Vorgesetzten und damit schnelle Entscheidungsfindung.

Klingt gut!

Nehmen wir einmal die Rolle des advocatus diaboli ein und behaupten:

Klingt gut, ist aber falsch!

Wiederholen wir obige Frage: Was bedeutet „flache Hierarchien“?

Dass es im Unternehmen wenige(r) Führungsebenen gibt.

Frage: „Weniger“ im Vergleich zu was?

Häufigste Antwort: „Im Vergleich zu früher“

Freudige Annahme: Die Arbeit ist also weniger geworden oder einfacher?

Häufigste Antwort: Nein, eher nicht.

Erschreckende Erkenntnis: Die Arbeit ist also einfach auf weniger Leute verteilt worden!

Das Ergebnis ist: die Führungskräfte sind operativ überlastet, hetzen von Meeting zu Meeting und haben kaum noch Zeit wirklich zu führen. Der angepriesene direkte Zugriff und die schnelle Entscheidung finden überhaupt nicht statt, weil der „Chef“ ja nicht am Platz und ansprechbar ist, sondern irgendwo im nächsten Meeting oder bei Kunden oder im Bankengespräch oder wo auch immer gebunden ist.

Wenn Mitarbeiter das Anliegen irgendwann -aber in jeden Fall nicht „schnell“- platziert haben, hat die Führungskraft aber keine Zeit, sich damit zu befassen, weil der Schreibtisch schon voll ist mit anderen, meist operativen Dingen, die erledigt werden müssen. Die Entscheidung dauert also.

Der Punkt ist: Die Arbeit ist weder weniger noch einfacher geworden.

Spezialisten brauchen eine FÜHRUNGSKRAFT, die als Coach, Ratgeber, Sparringspartner für sie da ist.

Für die meisten Fragen der Spezialisten braucht es aber keine high-Level Ansprechpartner, die ein unglaubliches Methoden-Knowhow über Unternehmensführung und Strategie haben, sondern z.B.  Teamleiter, die nah genug am Tagesgeschäft ihrer Mitarbeitenden sind und zudem dort, wo die Mitarbeitenden sind sowie schnell entscheiden können, wollen und dürfen.

Das Thema hat aber noch eine weitere Dimension:  Berufseinsteiger möchten irgendwann den nächsten Schritt gehen. Es fehlt nun die erste, kleine Führungsaufgabe z.B. als Teamleiter, da die Ebene ja gestrichen wurde. Es kann also nur ein sehr großer Schritt kommen, ohne dass eine echte Vorbereitung stattgefunden hat (Seminare ersetzen nicht Praxis). Da Ebenen gestrichen wurden, ist auch die Anzahl an Führungspositionen geringer geworden, es besteht das Risiko, dass ambitionierte Mitarbeitende das Unternehmen verlassen müssen, um den nächsten Schritt machen zu können. Als Ergebnis verliert das Unternehmen inzwischen versierte Spezialisten und muss diese ersetzen, was in der Kandidatenansprache bedeutet, jemanden für einen sidestep zu begeistern. 

Unser Vorschlag: machen Sie es besser!

Dazu bedarf es aber eines Paradigmenwechsels:

  • „Führen“ muss wertgeschätzt werden, und zwar als (Personal-) Entwicklungsarbeit am Mitarbeitenden ohne unmittelbar den Führungskräften zuzurechnenden, messbaren Effekt
  • „Führen“ ist eine Kompetenz, die man nicht einfach hat, weil man befördert wurde; die besten Spezialisten zu Führungskräften zu machen, ohne auf die Führungsfähigkeit zu achten, ist ein Führungsfehler der nächsthöheren Ebene

Geld sparen ist immer sinnvoll; aber Ebenen streichen, um Gehälter zu sparen ohne Rückkoppelung zum Arbeitsvolumen ist nicht sinnvoll und ansonsten auch leicht durchschaubar. Aus „wir wollen kurze Wege“ kann so schnell ein „Sie wollen Geld sparen auf Kosten der Mitarbeiter“ werden

  • Ihr Anspruch sollte sein, echte Leistungsträger zu gewinnen, die Ihr Unternehmen vorwärtsbringen und nicht Personen, die Stellen besetzen und leicht zu haben sind
  • Messen Sie Führungskräfte nicht daran, was sie selbst messbar erreicht haben, sondern was deren Team durch sie mehr erreicht hat (Multiplikatoreffekt)
  • Entwickeln Sie schwache Führungskräfte, um sie zu verbessern
    Trennen Sie sich von schlechten Führungskräften (bzw. setzen Sie sie an andere Stellen); deren Fehlleistung ist nämlich nicht nur die einer einzelnen Person, sondern verdirbt das ganze Teamergebnis (negativer Multiplikatoreffekt)
  • Sehen Sie Führungsebenen nicht nur als Kostenfaktor, sondern als Bindungs- und Personalentwicklungsinstrument für Ihre Top-Performer, um genau diese im Unternehmen zu halten